Der Wechsel von Jugendlichen in die Erwachsenenversorgung
Wenn Jugendliche an einem nephrotischen Syndrom erkrankt sind, dann kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr von ihrer Kinderärztin oder ihrem Kinderarzt betreut werden und in die Erwachsenenversorgung wechseln. Mit dem Wechsel geht auch einher, dass Du als Elternteil Schritt für Schritt mehr Verantwortung abgeben musst. Dieser Beitrag beschreibt, was den Wechsel ausmacht und wie er gut gelingt.
01. Transition: Was ist das?
Die Transition beschreibt bei Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung den geplanten Übergang von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin. Der Transfer, also der eigentliche Wechsel, steht in der Regel mit 18 Jahren bevor.
02. Was ändert sich für Jugendliche bei dem Übergang?
Jugendliche mit einer chronischen Erkrankung stehen vor der besonderen Herausforderung, neben den „normalen“ Anforderungen des Erwachsenwerdens ebenfalls die zusätzliche Belastung durch die Erkrankung zu meistern. Nicht nur der Körper und die Lebensumstände verändern sich. Durch den Wechsel zur Erwachsenenmedizin bekommen junge Menschen neue Aufgaben, die Selbstständigkeit, organisatorische Fähigkeiten und ein gewissenhaftes Krankheitsmanagement erfordern. Der Übergang ist für junge Menschen ein wichtiger Schritt, bei dem sie lernen, die neuen Aufgaben gut zu bewältigen. Dabei sind sie nicht auf sich allein gestellt. Ärztinnen und Ärzte, aber auch Du als Elternteil kannst sie dabei unterstützen.
Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen
Kinderärztinnen und -ärzte besprechen häufig die Ergebnisse einer Untersuchung zuerst mit Dir als Elternteil. Das ändert sich in der Erwachsenenmedizin: Wegen der Schweigepflicht darf das Behandlungsteam die Eltern nicht mehr ohne Zustimmung informieren. Ab dem Übergang in die Erwachsenenversorgung nehmen junge Menschen Termine in der Regel nun ohne ihre Eltern wahr. Das bedeutet, sie übernehmen selbst Verantwortung, beispielsweise wenn die Medikation umgestellt wird. Natürlich können sie nach wie vor ihre Eltern mit einbeziehen, aber ein Übergang in einen eigenverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung und der Behandlung ist ab diesem Zeitpunkt wichtig.
Die Veränderung kann auch emotional herausfordernd sein: Einerseits fällt es Eltern manchmal schwer, die Kontrolle und Verantwortung abzugeben. Andererseits können Jugendliche aber einen starken Wunsch nach Eigenverantwortung und Unabhängigkeit haben. Das kann auch schon mal zu Spannungen und Auseinandersetzungen führen. Hilfreich dabei ist, Verständnis füreinander aufzubringen. Vielleicht hilft es Dir, Dich zu fragen: Was braucht mein Kind, um eigenverantwortlich mit seiner Erkrankung umzugehen? Wie kann ich mein Kind dabei unterstützen und fördern? Was brauche ich, um die Verantwortung abgeben zu können?
Wissen über die Erkrankung und Behandlung
Viele der jungen Erwachsenen sind seit ihrer Geburt oder frühen Kindheit in kindernephrologischer Behandlung. Sie sind also mit ihrer Erkrankung groß geworden. Sie wissen zwar, dass mit ihren Nieren etwas nicht stimmt, sie transplantiert oder an der Dialyse sind. Oft fehlt ihnen aber noch das genaue Verständnis für ihre Erkrankung. Wenn sie nun alleine – ohne ihre Eltern – mit ihrem Behandlungsteam sprechen, ist es wichtig und hilfreich, wenn sie die Erkrankung gut verstehen. Das bedeutet, dass sich Jugendliche bei dem Übergang in die Erwachsenenversorgung oft mehr und intensiver mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen als zuvor.
Medikamente vorbereiten und nachbestellen
Oft übernehmen die Eltern die Aufgabe, Medikamentenboxen vorzubereiten und auf einen ausreichenden Medikamentenbestand zu achten. Viele Jugendliche wissen noch nicht, wie sie ihre Medikamente richtig vorbereiten: Was muss frisch zubereitet werden? Was muss gekühlt werden? Was muss vor Tageslicht geschützt werden? Welches Medikament hat eine längere Lieferzeit? Welches kann ausgetauscht werden? Um eigenständig und unabhängig zu werden, müssen Jugendliche das nun lernen.
03. Transitionsprogramm unterstützen
Durch eine gute Vorbereitung kann der Wechsel gut gelingen. Ziel der Transition ist es, dass Jugendliche eine hohe Lebensqualität haben. Ihr Gesundheitszustand soll erhalten bleiben oder sich verbessern. Außerdem sollen Jugendliche in ihrer Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit gestärkt werden. Die jungen Erwachsenen sollen die notwendige Expertise für die eigene Erkrankung entwickeln und Verantwortung für das eigene Leben übernehmen. Damit das gut gelingen kann, ist es wichtig, dass sie und ihr Behandlungsteam gut zusammenarbeiten.
Es gibt verschiedene Programme, die Jugendliche auf dem Weg von der Pädiatrie in die Erwachsenenversorgung unterstützen. Dazu zählen etwa mehrtägige Seminare von endlich erwachsen auf dem Ederhof oder die ModuS-Transitionsschulung von KomPaS.
Bei der Kindernephrologie der Uniklinik Köln können Jugendliche an einem individualisierten Transitionsprogramm teilnehmen: TraiN – Transition in der Nephrologie.
04. TraiN – Transitionshilfe bei Nierenerkrankungen
Um Jugendliche beim Wechsel zu unterstützen, gibt es an der Kindernephrologie der Uniklinik Köln das Transitionsprogramm TraiN. Die Jugendlichen lernen dabei schrittweise, ihre Erkrankung besser zu verstehen: Wie heißt eigentlich die Grunderkrankung? Warum gibt es noch Sekundärerkrankungen? Ist meine Erkrankung vererbbar? Die Jugendlichen bekommen die gleiche Aufklärung, wie ihre Eltern sie bei Diagnosestellung erhalten haben, und können so nach und nach immer mehr Verantwortung übernehmen.
Persönliche Begleitung
Jugendliche erhalten bei TraiN eine persönliche Ansprechperson, mit der sie in mehreren Treffen verschiedene Themen des Erwachsenwerdens besprechen können. Dadurch werden sie Stück für Stück darauf vorbereitet, als eigenverantwortliche Person in die Erwachsenenmedizin zu wechseln. Das Programm richtet sich an Jugendliche ab 13 Jahren. Die Themen sind breit gefächert: von berufsvorbereitenden Fragestellungen bis hin zu Sexualität und Liebe, Loslösen vom Elternhaus und ganz konkreten Schritten des Transfers in die Erwachsenennephrologie. Außerdem lernen die Jugendlichen gleichaltrige Betroffene kennen und können sich mit ihnen austauschen.
Eine Teilnehmerin beschreibt, wie hilfreich die persönliche Begleitung in einem Transitionsprogramm abseits des bisherigen Behandlungsteams sein kann: „Die meisten Ärzte kenne ich, seitdem ich klein bin. Es war mir peinlich zu fragen, ob ich zu meinen Medikamenten die Pille nehmen kann. Ich war froh um die Transitionsansprechpartnerin. Mit ihr habe ich schon mal Infos rausgesucht und Fragen für das Arztgespräch vorbereitet. So werde ich es dann auch bei den Erwachsenen machen.“
Die eigenen Bedürfnisse in den Blick nehmen
Es gibt verschiedene Aspekte, die bereits vor dem Wechsel in die Erwachsenenversorgung berücksichtigt werden sollten. Wichtig sind dabei vor allem die Wünsche und Erwartungen der Jugendlichen selbst, beispielsweise bei der Suche nach einem Behandlungsteam in der Erwachsenenmedizin. Ist vielleicht die Standortnähe ein zentraler Aspekt? Welche Eigenschaften soll die neue Ärztin oder der neue Arzt mitbringen? Treffen Menschen eine informierte und selbstbestimmte Wahl, akzeptieren sie das neue Team eher, was sich mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv auf den Behandlungsverlauf auswirkt. Auch sollten die jungen Erwachsenen überlegen, was sie für eine gute Therapietreue brauchen. Ist die Anzahl der Medikamente dabei für sie ein wichtiger Faktor? Wie ist es mit der Verabreichungsform? Bei TraiN geht es deshalb auch um die persönlichen Bedürfnisse. Jugendliche werden dazu angeregt, sich bewusst zu machen, was ihnen bei der Therapie wichtig ist. Sie werden darin gestärkt, ihre Bedürfnisse selbstbewusst zu vertreten und Behandlungsentscheidungen gemeinsam mit ihrem Behandlungsteam zu treffen.
Ärztinnen und Ärzte beobachten in dem Programm beim Übergang oft, dass die jungen Erwachsenen stolz sind, wenn sie selbst entscheiden können. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass Jugendliche ihre Eltern bei ärztlichen Gesprächen rausschicken oder allein zu Terminen erscheinen.
Eltern geben Verantwortung ab
Jugendliche lernen in dem Programm, ihre Medikamente selbst vorzubereiten und sich um den Vorrat zu kümmern. Hier ist es mitunter für Eltern schwierig, sich ihrer Automatismen – die ihnen Sicherheit gegeben haben – bewusst zu werden, sie loszulassen und die Verantwortung ihrem Kind zu übertragen. Oft möchten sie noch einen Blick auf die Medikamente haben und fragen viel nach, was für die Jugendlichen schnell nervig sein kann. Das Programm soll helfen, dass Du als Elternteil gut loslassen kannst und gleichzeitig Dein Kind selbstbewusst Verantwortung übernimmt.
Auch besteht für Eltern das Angebot, im Rahmen von psychologischen Gesprächen begleitet zu werden. Sie erhalten außerdem Tipps für den Umgang mit der Erkrankung als ganze Familie.
Langfristige Transitionshilfe
Die professionelle Begleitung bei der Transition ist aktuell deutschlandweit im Aufbau. Das bedeutet zum einen, dass Kliniken die begleitete Transition in die bestehende Versorgung integrieren. Dabei zeigt sich, dass die Angebote individuell und leicht zugänglich gestaltet sein müssen. Einzelschulungen müssen sehr viele relevante Themen in kürzester Zeit unterbringen. Das TraiN-Programm verfolgt deshalb einen anderen Ansatz. Es ist darauf ausgelegt, Jugendliche regelmäßig und langfristig bei der Transition zu begleiten, auch schon ab einem frühen Lebensalter. Aus Studien ist bekannt, dass dies wichtige Faktoren für einen gelingenden Wechsel sind.
Ansprechpartnerinnen Transition Nierenambulanz Uniklinik Köln
Frau Mara Reitz, M.Sc. Psychologin, Transitionsansprechpartnerin
mara.reitz@uk-koeln.de, 0221 478 39960
Frau Luisa Klein, Psych. Psychotherapeutin, Psychologin in der Kindernephrologie
0221 478 86120
Zur Website: TraiN - Transition in der Nephrologie
Weitere Transitionsprogramme
Between Jugendcoach des Kompetenznetzes Patientenschulung im Kindes- und Jugendalter (KomPaS) e.V.
Transferprogramm endlich erwachsen des KfH Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation e.V.
05. In aller Kürze
Den Übergang von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin nennt man Transition. Dabei wechseln Jugendliche von ihrer gewohnten Kinderärztin oder dem Kinderarzt zu einem neuen Behandlungsteam in der Erwachsenenversorgung. Sowohl für die Jugendlichen selbst als auch für ihre Eltern ist das ein wichtiger Schritt. Junge Erwachsene lernen dabei, ihre Erkrankung und Behandlung besser zu verstehen und mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. Die Eltern können bei dem Übergang ihr Wissen an die Kinder weitergeben und lernen, die Verantwortung abzugeben. Die Transition ist nicht immer leicht. Doch Jugendliche und auch ihre Eltern müssen das nicht allein bewältigen. Es gibt professionelle Transitionsprogramme, die sie dabei unterstützen.
Quellen:
Gesellschaft für Transitionsmedizin. S3-Leitlinie: Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin. Version 1.1 vom 22.04.2021. (Zugriff am 04.09.2024)
Collette, P., Klein, L. C., Körner, L. M., Ernst, G., Brengmann, S., Schäuble, J., Weber, L. T. (2021). The individualized, accompanied transition program “TraiN” for adolescent kidney patients–a local initiative. Journal of Transition Medicine, 3(1). doi: 10.1515/jtm-2021-0002
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