Bild
Dr. Lioba Ester, 04.07.2024
Zusammenfassung In aller Kürze

Welche Symptome können beim nephrotischen Syndrom auftreten?

Das nephrotische Syndrom ist eine Kombination von Symptomen, die Folge von unterschiedlichen Erkrankungen der Nieren sind. Insbesondere die kleinen Filtereinheiten der Niere, die sogenannten Glomeruli, sind dabei beschädigt. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und zum Teil noch unverstanden. Durch die Beschädigung sind die Filtereinheiten der Niere durchlässiger für Eiweiße, die von einer gesunden Niere nicht ausgeschieden werden. Der Körper verliert also mehr Eiweiße aus dem Blut als gut für ihn ist. In der Folge treten verschiedene Symptome auf, die je nach Ausprägung den ganzen Körper betreffen können.

Erkrankungen, die mit einem Schaden der Glomeruli einhergehen, können zum Beispiel eine Fokal Segmentale Glomerulosklerose (FSGS) oder eine Minimal Change Erkrankung (Englisch: Minimal Change Disease, kurz MCD) sein. Auch Erkrankungen wie die Membranöse Glomerulonephritis (mGN) oder eine Nierenerkrankung aufgrund einer systemischen Erkrankung, wie zum Beispiel eines Diabetes mellitus, können zum nephrotischen Syndrom führen.

01. Wassereinlagerungen im Gewebe und Gewichtszunahme

Das offensichtlichste Symptom des nephrotischen Syndroms sind Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme). Sie können sich als Schwellungen in verschiedenen Körperbereichen zeigen. Die Schwellungen entstehen, weil Wasser aus den Blutgefäßen in das Gewebe austritt. Grund dafür ist, dass die Filtereinheiten mit nephrotischem Syndrom zu viele Salze zurückhalten. Dann verlieren Menschen zu viel Eiweiß in den Urin, das daraufhin in den Blutgefäßen fehlt. Dadurch sinkt die sogenannte onkotische Wasserbindungskraft. Das ist die Kraft, mit der im Blut gelöste Teilchen Wasser in den Blutgefäßen halten – ähnlich wie wenn man Salz auf eine Salatgurke streut.

Ödeme treten normalerweise zuerst an tiefliegenden Körperbereichen auf – also im Stand an den Knöcheln und Füßen – und können sich dann auf den Bauchraum, das Gesicht und die Hände ausbreiten. Insbesondere in den Augenlidern fallen die Wassereinlagerungen rasch auf. Bei Jungen und Männern ist auch eine Schwellung des Hodensacks typisch. Durch die Wassereinlagerungen nehmen Menschen häufig an Gewicht zu.

02. Schäumender Urin

Ein weiteres typisches Symptom des nephrotischen Syndroms ist schäumender Urin. Vielleicht hast Du schon einmal beobachtet, dass beim Abgießen von Wasser, in dem Eier gekocht wurden, Schaumblasen entstehen. Auch beim nephrotischen Syndrom ist Flüssigkeit, in diesem Fall Urin, mit Eiweißen angereichert, was beim Durchmischen schäumt.

03. Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit und Müdigkeit

Allgemeine Schwäche, Müdigkeit und verminderter Appetit sind häufige Begleitsymptome des nephrotischen Syndroms. Das kann daran liegen, dass mehr Nährstoffe und Mineralien (Elektrolyte) über den Urin verloren gehen und gleichzeitig weniger Giftstoffe ausgeschieden werden.

04. Erhöhtes Thromboserisiko

Eine der schwerwiegendsten Komplikationen des nephrotischen Syndroms ist das erhöhte Risiko für Blutgerinnsel in den Blutgefäßen (Thrombosen). Thrombosen werden durch die gestörte Blut-Gerinnung verursacht, die auch von Eiweißen abhängt. Sie können in verschiedenen Gefäßen auftreten, beispielsweise in den tiefen Venen der Beine, den Lungenarterien und sogar den Gehirngefäßen. Es ist wichtig, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Thrombosen vorzubeugen. Dazu gehört zum Beispiel, Medikamente zur Blutverdünnung einzunehmen.

05. Erhöhtes Risiko für Infektionen

Zu den Eiweißen, die der Körper bei einem nephrotischen Syndrom über den Urin verliert, gehören auch Antikörper (Immunglobuline). Immunglobuline sind Teil unseres Immunsystems und helfen dem Köper Infektionen zu bekämpfen. Durch den Verlust der Immunglobuline kann es beim nephrotischen Syndrom also zu einer Schwäche des Immunsystems und zu einer Infektanfälligkeit kommen. Auch die Schutzwirkungen von Impfungen sind daher abgeschwächt.

06. Hohe Blutfette

Menschen mit einem nephrotischen Syndrom haben im Blut oft einen erhöhten Spiegel an Fetten (Lipiden), insbesondere Cholesterin und Triglyceride. Das wird dadurch verursacht, dass der Fettstoffwechsel der Leber aufgrund des Eiweißverlusts gestört ist. Erhöhte Blutfette spürt man nicht, bis Folgeprobleme auftreten. Zum Beispiel steigt mit erhöhten Blutfetten das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

07. Akute Nierenfunktionseinschränkung

Eine weitere schwerwiegende Komplikation des nephrotischen Syndroms kann der akute Funktionsverlust der Nieren sein. Der Funktionsverlust entsteht unter anderem durch ein „Trockenliegen“ der Nieren bei zu geringer Füllung der Blutgefäße. Dadurch filtern die kleinen Filtereinheiten der Nieren immer weniger Blut.

Häufig bemerken Menschen anfangs davon gar nicht viel. Es kann sein, dass sie immer weniger Wasser lassen, bis gar kein Urin mehr ausgeschieden wird. Das passiert aber nicht immer bei der akuten Nierenfunktionseinschränkung. Filtern die Nieren immer weniger, können sich Giftstoffe und Flüssigkeit im Körper ansammeln. Diese Komplikation ist eher eine „Spätkomplikation“ bei einem schweren Krankheitsverlauf. Deshalb ist es wichtig, einen Rückfall frühzeitig zu erkennen.

08. Symptome im fortgeschrittenen Stadium des Nephrotischen Syndroms

Die bisher genannten Symptome können wieder verschwinden, wenn die zugrunde liegende Erkrankung richtig behandelt wird. Wenn die Schädigung der Nieren nicht aufgehalten werden kann, verlieren die Nieren langfristig ihre Filterfunktion und es kommt zu einer chronischen Nierenerkrankung. Die chronische Nierenerkrankung geht wiederum mit neuen Symptomen einher.

Bluthochdruck

Bluthochdruck ist ein häufiges Symptom bei Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung. Um den Körper und die kranken Nieren vor weiteren Schäden durch den hohen Blutdruck zu schützen, ist es wichtig, den Blutdruck gut einzustellen. Gelingt das nicht, steigt das Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, beispielsweise für eine Herzmuskelschwäche oder einen Herzinfarkt. Häufig verursacht ein erhöhter Blutdruck keine wahrnehmbaren Beschwerden. Manchmal können Kopfschmerzen auf einen Bluthochdruck hindeuten.

Übelkeit, Erbrechen, und Juckreiz

Wenn die Ausscheidung von Giftstoffen über die Nieren nicht mehr ausreichend funktioniert, reichern sie sich im Körper an. Das kann zu Übelkeit und Erbrechen führen. Lagern die Giftstoffe sich in der Haut ab, kann es zu einem außerordentlich plagenden Juckreiz kommen.

Blässe und Blutarmut

Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung haben häufig eine geringere Anzahl von roten Blutkörperchen (einen erniedrigten Hämoglobinwert). Das führt dazu, dass sie blass aussehen können und sich häufig müde und abgeschlagen fühlen.

Vitamin-D- und Kalzium-Mangel

Die Nieren sind für die Bildung von aktivem Vitamin D und damit für den Kalzium-Haushalt mitverantwortlich. Wenn die Nierenfunktion abnimmt, kann das zu einem Vitamin-D-Mangel führen. Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung sollten das Vitamin D ersetzen, um zum Beispiel einem Knochenschwund (Osteoporose) vorzubeugen und bei Kindern ein Knochenwachstum zu ermöglichen.

09. In aller Kürze

Das nephrotische Syndrom ist Anzeichen für eine komplexe Nierenerkrankung, die mit vielen Symptomen einhergeht. Es ist wichtig, die Symptome frühzeitig zu erkennen, um eine angemessene Behandlung zu ermöglichen und einer fortschreitenden chronischen Nierenerkrankung entgegenzuwirken.

10. Zum Weiterlesen

AWMF Leitlinie (2020): Idiopathisches Nephrotisches Syndrom im Kindesalter. Diagnostik und Therapie.

Kidney International Supplement (2021): KDIGO 2021 Clinical Practice Guideline for the Management of Glomerular Diseases.

National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Disease (NIDDK, 2020): Nephrotic Syndrome in Adults.

Kelepouris, E. & Rovin, B. H. (2022): Overview of heavy proteinuria and the nephrotic syndrome.

Wie findest Du diesen Beitrag?

Schreib uns Deine Meinung!

Zum Weiterlesen

Cookie-Einstellungen

Bitte wählen Sie aus, welchen Cookie-Kategorien Sie zustimmen möchten.