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Dr. Judith Heindel, 31.07.2024
Zusammenfassung In aller Kürze

Schwangerschaft mit einem nephrotischen Syndrom

Die Schwangerschaft ist eine Zeit der Vorfreude. Für Frauen mit einem nephrotischen Syndrom bringt diese Zeit besondere Herausforderungen mit sich. Welche Komplikationen können für die Mutter und das Kind auftreten? Wird die Nierenfunktion durch die Schwangerschaft geschwächt? Was sollte ich beachten? In diesem Artikel findest Du wichtige Aspekte, die Du über eine Schwangerschaft mit einem nephrotischen Syndrom wissen solltest.

01. Was verändert sich in den Nieren, wenn ich schwanger bin?

Während der Schwangerschaft kommt es – auch bei Menschen mit gesunden Nieren – zu einigen Veränderungen in den Nieren. Hierzu gehören folgende Aspekte:

  • Die Nieren werden stärker durchblutet und die sogenannte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) steigt an.

  • Durch das erhöhte Flüssigkeitsaufkommen nimmt die Konzentration der abgebauten Stoffe ab. Die Serum-Kreatinin-Konzentration sinkt.

  • Die Nierenfilter werden durchlässiger, sodass mehr Eiweiß über den Urin ausgeschieden wird (weniger als 300 Milligramm am Tag beim Nierengesunden).

Außerdem wird die Plazenta stärker durchblutet. Dadurch weiten sich die Blutgefäße und der Blutdruck sinkt.

02. Gibt es ein erhöhtes Risiko für Komplikationen bei einer Schwangerschaft mit einem nephrotischen Syndrom?

Bei einer Schwangerschaft mit einer chronischen Nierenerkrankung können Komplikationen auftreten. Das Risiko für Komplikationen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es steigt:

  • mit dem Grad der chronischen Nierenerkrankung,

  • bei Bluthochdruck,

  • bei erhöhter Eiweißausscheidung über den Urin,

  • bei Erkrankung an Typ-1-Diabetes mellitus,

  • und bei einer zugrunde liegenden Autoimmunerkrankung.

Durch eine verbesserte frühzeitige Diagnostik und Behandlung können heutzutage viele Komplikationen verhindert werden. Frauen mit einer chronischen Nierenerkrankung, die schwanger werden möchten, sollten deshalb frühzeitig mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt darüber sprechen. Es gibt verschiedene Fragen, die im Vorfeld zu beachten sind:

  • Ist es nötig, die Medikation umzustellen? Dabei spielt die individuelle Behandlung etwa mit Immunsuppressiva, Blutverdünnern und Blutdrucksenkern eine Rolle.

  • Wie ist die Krankheitsaktivität? Kann die medikamentöse Behandlung reduziert werden? Oder ist das wegen einer möglichen Verschlechterung der Nierenfunktion nicht möglich?

  • Wie sieht es mit Begleiterkrankungen aus? Gibt es im Vorfeld Optimierungsmöglichkeiten?

  • Ist eine weitere Diagnostik vor Beginn einer Schwangerschaft notwendig oder gewünscht?

  • Gibt es aktuell private oder berufliche Gründe, die es erschweren, häufigere ärztliche Termine wahrzunehmen?

  • Gibt es bereits eine Anbindung an ein spezialisiertes Geburtshilfezentrum (Perinatalzentrum)?

Solange kein Kinderwunsch besteht, wird Frauen mit einem nephrotischen Syndrom empfohlen, sichere Verhütungsmethoden zu nutzen.

03. Welche Komplikationen können für die Mutter entstehen?

Es kann zu einem schwangerschaftsassoziierten Bluthochdruck kommen.

Die Nieren können akut geschädigt werden, sodass eine intensivmedizinische Behandlung und eine Nierenersatztherapie (Dialyse) notwendig werden kann.

Es kann zu einer sogenannten Präeklampsie kommen. Je nachdem, wie schwer die Nierenerkrankung ist, wie die Schwangerschaft verläuft und ob eventuell weitere Vorerkrankungen vorliegen, kann sich das auf die Sterblichkeitsrate bei schwangeren Frauen auswirken. In der Regel ist das Risiko für schwangere Frauen mit einer chronischen Nierenerkrankung erhöht im Vergleich zu Frauen ohne diese Erkrankung. Deshalb ist es wichtig, dass schwangere Frauen mit chronischer Nierenerkrankung ärztlich eng betreut werden, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren. Individuelle Risikofaktoren und spezifische medizinische Bedürfnisse werden dabei berücksichtigt.

Was ist eine Präeklampsie?

Von einer Präeklampsie spricht man, wenn ein Bluthochdruck erstmalig in der Schwangerschaft auftritt oder wenn sich ein bestehender Bluthochdruck verschlechtert. Falls es zu einer Präeklampsie kommt, dann tritt sie in der Regel nach der 20. Schwangerschaftswoche auf. 

Im Gegensatz zum schwangerschaftsassoziierten Bluthochdruck sind bei einer Präeklampsie zusätzlich andere Organe, wie etwa die Leber oder die Nieren, betroffen. In der Regel kommt es dabei zu einer vermehrten Ausscheidung von Eiweiß über den Urin (Proteinurie). Die Unterscheidung zwischen einem üblichen Anstieg der Eiweißausscheidung in der Schwangerschaft z.B. aufgrund von Medikamentenumstellungen und einer Präeklampsie kann nur durch eine erfahrene Ärztin oder einen erfahrenen Arzt erfolgen. Eine Präeklampsie kann zu ernsthaften Komplikationen wie Krampfanfällen (Eklampsie) führen, die sowohl für die Mutter als auch für das Kind gefährlich sein können. Wenn eine Präeklampsie frühzeitig erkannt wird, kann sie meistens gut behandelt werden. Wichtig dabei ist, dass der Blutdruck gut überwacht und eingestellt wird. Wenn bei Dir eine Präeklampsie auftritt, wird das Behandlungsteam Dich darum bitten, dass Du Dich körperlich schonst und gegebenenfalls bestimmte Medikamente einnimmst. Ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt ist sehr wichtig. Wenn die Präeklampsie nicht eingedämmt werden kann, kann eine frühzeitige Entbindung erforderlich sein.

04. Welche Komplikationen können für das Kind entstehen?

Auch Frauen mit einer chronischen Nierenerkrankung können ein gesundes Kind zur Welt bringen. Das Risiko für ein verzögertes Wachstum des Kindes oder für eine Frühgeburt ist jedoch im Vergleich zu gesunden Frauen erhöht. Auch das Geburtsgewicht ist häufiger reduziert.

Außerdem können weitere schwere Komplikationen auftreten. So ist das Risiko für eine Fehlgeburt oder das Versterben des Neugeborenen vor dem ersten Lebensjahr bei Schwangeren mit einer chronischen Nierenerkrankung erhöht. Deshalb ist eine engmaschige nephrologische und gynäkologische Betreuung sehr wichtig. Sie dient dazu, das Risiko von Komplikationen möglichst gering zu halten.

05. Kann sich meine Nierenfunktion durch die Schwangerschaft verschlechtern?

Bei einer Schwangerschaft kann sich die Nierenfunktion verschlechtern. Wie hoch das Risiko dafür ist, ist individuell unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen die glomuläre Filtrationsrate (GFR), Proteinurie und Bluthochdruck. Bei einer Einschränkung der GFR (weniger als 60 Milliliter pro Minute) wurden nahezu keine Verschlechterungen beschrieben.

06. Darf ich meine Medikamente während der Schwangerschaft weiter einnehmen?

Viele der Medikamente, die zur Behandlung des nephrotischen Syndroms eingesetzt werden, sind während der Schwangerschaft nicht sicher. Die meisten Blutdruckmedikamente sind in der Schwangerschaft nicht zugelassen. Deshalb wird die Behandlung des Blutdrucks häufig umgestellt. Auch einige immunsuppressive Medikamente dürfen in der Schwangerschaft nicht verwendet werden, sodass die Behandlung bereits bei Kinderwunsch angepasst werden sollte.

Solltest Du einen Kinderwunsch haben, ist es wichtig, dass Du das frühzeitig in einem ärztlichen Beratungstermin ansprichst. Arbeite mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt zusammen, damit Ihr sicherstellen könnt, dass Du die richtige Behandlung erhältst, die sowohl Deine Nierenfunktion als auch die Gesundheit Deines ungeborenen Kindes bestmöglich schützt.

07. Was kann ich tun, um meinen Schwangerschaftsverlauf positiv zu beeinflussen?

Ernährung und Flüssigkeitszufuhr

Eine gesunde Ernährung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr sind während jeder Schwangerschaft wichtig. Das gilt insbesondere wenn Du eine Nierenerkrankung hast. Deine Ärztin oder Dein Arzt kann Dir dabei helfen, einen Ernährungsplan zu erstellen, der Deine Nieren unterstützt und gleichzeitig die Bedürfnisse Deines wachsenden Babys deckt.

Regelmäßige Kontrolle von Blutdruck und Urin

Während der Schwangerschaft ist es wichtig, dass der Blutdruck und der Eiweißgehalt im Urin regelmäßig kontrolliert wird. Das kann helfen, Anzeichen von Präeklampsie frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um das Risiko von Komplikationen zu verringern.

08. Welche Vorsorgeuntersuchungen sollten in der Schwangerschaft bei chronischer Nierenerkrankung erfolgen?

Während einer Schwangerschaft werden verschiedene Vorsorgeuntersuchungen gemacht. Bei Frauen mit einer chronischen Nierenerkrankung können noch weitere Untersuchungen hinzukommen:

  • Pränataldiagnostik: Sollte das Risiko für Fehlbildungen erhöht sein, erfolgt ein Screening auf Fehlbildungen des Babys mittels Ultraschalls zwischen der 20. und 22. Schwangerschaftswoche.

  • Diabetesscreening: Bestimmte Medikamente, wie z.B. die Immunsuppressiva Kortison oder Calcineurininhibitoren, können einen Schwangerschaftsdiabetes hervorrufen. Bereits im 1. Trimester sollte ein Screening auf einen Schwangerschaftsdiabetes erfolgen.

  • Abschätzung des Präeklampsie-Risikos: Das individuelle Risiko einer Präeklampsie sollte mittels Labordiagnostik abgeschätzt werden. Bei einem erhöhten Risiko kann es sein, dass in Rücksprache mit dem Behandlungsteam die vorbeugende Einnahme von ASS erforderlich ist.

  • Sollte das Risiko für eine Wachstumsverzögerung des Babys erhöht sein, erfolgen regelmäßige Ultraschalluntersuchungen bei der behandelnden Gynäkologin oder dem Gynäkologen sowie regelmäßige nephrologische und gynäkologische Untersuchungstermine sowie die Mitbetreuung durch ein Perinatalzentrum.

09. Was ist bekannt zum Verlauf von Schwangerschaften bei Frauen mit FSGS und MCD?

Zum Verlauf von Schwangerschaften bei Frauen mit FSGS und MCD ist die wissenschaftliche Datenlage gering. Deshalb gibt es keine gesicherten Empfehlungen für die Behandlung. Es ist kein Zusammenhang zwischen FSGS oder MCD und einer Verschlechterung der Nierenfunktion in der Schwangerschaft bekannt. Wenn es während der Schwangerschaft zu einem Schub einer bestehenden FSGS oder MCD kommt oder wenn eine der beiden Erkrankungen neu diagnostiziert wird, dann sind einige Dinge bei der Behandlung zu beachten:

  • Nur einige Immunsuppressiva dürfen in der Schwangerschaft eingenommen werden. Das sind beispielsweise Tacrolimus, Ciclosporin A, Azathioprin und Glukokortikoide.

  • Die Ärztin oder der Arzt wird einschätzen, ob eine Blutverdünnung erforderlich ist. Wenn erforderlich, können ASS und niedermolekulare Heparine in der Schwangerschaft eingesetzt werden.

  • Medikamente, die die Blutfettwerte senken (Statine), sind in der Schwangerschaft nicht empfohlen.

  • Blutdrucksenker müssen häufig umgestellt werden, da sie nicht während der gesamten Schwangerschaft gegeben werden dürfen.

  • Wassereinlagerungen sollten möglichst konservativ, z.B. mit Wickeln der Beine, behandelt werden. Wassertabletten (Diuretika) werden bei potenzieller Beeinträchtigung der Plazentadurchblutung nicht empfohlen.

10. Was muss ich für die Geburt beachten?

Bei Schwangeren mit einer chronischen Nierenerkrankung ist es nicht notwendig die Geburt am ermittelten Tag der Entbindung oder früher medizinisch einzuleiten. Wenn aber etwa Komplikationen bei der Mutter oder dem Kind vorliegen, kann sich das auf den Zeitpunkt der Geburt und auf die Art der Entbindung auswirken. Schwangeren mit einer chronischen Nierenerkrankung wird empfohlen, in einem Perinatalzentrum zu entbinden. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen hat eine Liste mit Perinatalzentren in Deutschland zusammengestellt. Das Zentrum sollte dabei über eine angeschlossene Nephrologie verfügen. Mütter mit einer chronischen Nierenerkrankung sollten ihr Kind, sofern möglich, für mindestens 4 Monate stillen. Für sie ist es empfehlenswert, einen ärztlichen Termin bei ihrer Nephrologin oder ihrem Nephrologen für spätestens 6 Wochen nach der Geburt zu vereinbaren.

11. In aller Kürze

Frauen mit einem nephrotischen Syndrom können sich einen Schwangerschaftswunsch erfüllen. Eine besondere Herausforderung dabei ist eine sorgfältige Planung sowie zusätzliche regelmäßige Kontrollen. Sie dienen dazu, das Risiko von Komplikationen möglichst gering zu halten und die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Team und ein gesunder Lebensstil spielen dabei eine wichtige Rolle.

Quellen

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Tangren, J. et al. (2023). Pre-pregnancy EGFR and the risk of adverse maternal and fetal outcomes: A population-based study. Journal of the American Society of Nephrology, 34(4), 656–667. doi:10.1681/asn.0000000000000053

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Zhang, J.-J. et al. (2015). A systematic review and meta-analysis of outcomes of pregnancy in CKD and CKD outcomes in pregnancy. Clinical Journal of the American Society of Nephrology, 10(11), 1964–1978. doi:10.2215/cjn.09250914

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