Leben mit Immunsuppressiva: Welche Nebenwirkungen gibt es?
Immunsuppressiva sind Medikamente, die das körpereigene Abwehrsystem herabsetzen. Bei bestimmten Formen des nephrotischen Syndroms können Abwehrreaktionen des Immunsystems überaktiv sein und die Nieren schädigen. Immunsuppressiva spielen dann bei der Behandlung eine entscheidende Rolle, weil sie helfen, überaktive Abwehrreaktionen zu kontrollieren. In einem anderen Beitrag erfährst Du, wie Immunsuppressiva funktionieren. Während sie wirksam sind, können Immunsuppressiva aber auch Nebenwirkungen verursachen. In diesem Beitrag erfährst Du mehr über einige wichtige Nebenwirkungen und was Du selbst für den Behandlungserfolg tun kannst.
01. Es gibt verschiedene Immunsuppressiva
Es gibt verschiedene Wirkstoffe, die bei einem nephrotischen Syndrom als Immunsuppressiva eingesetzt werden können. Dazu zählen:
Kortikosteroide
Calcineurin-Inhibitoren
Mycophenolat
Rituximab
Die Nebenwirkungen der unterschiedlichen Wirkstoffe sind zum Teil ähnlich. Sie können sich aber auch voneinander unterscheiden.
02. Kortikosteroide
Blutzucker
Kortikosteroide können den Blutzucker erhöhen. Wird die Einnahme beendet, dann normalisiert sich der Blutzucker meistens wieder. Wenn Du an Diabetes erkrankt bist, ist besondere Vorsicht bei der Behandlung mit Kortikosteroiden geboten. Regelmäßige Kontrollen Deiner Werte sind dann ratsam.
Äußerliche Veränderungen
Viele Menschen bemerken eine vermehrte Fetteinlagerung durch die Einnahme von Kortikosteroiden. Diese können im Gesicht auftreten, was auch "Mondgesicht" genannt wird. Aber auch am Bauch und im Nacken kann sich vermehrt Fett einlagern. Es kann sein, dass Du bei der Einnahme von Kortikosteroiden an Gewicht zunimmst.
Kortikosteroide können außerdem die Haut dünner machen. Dadurch wird die Haut anfälliger für Verletzungen und blaue Flecken. Auch Akne oder Dehnungsstreifen können auftreten. Diese Veränderungen sind besonders dann bemerkbar, wenn das Medikament über längere Zeit eingenommen wird.
Blutdruck und Wassereinlagerungen
Kortikosteroide können den Blutdruck erhöhen und Wassereinlagerungen verursachen.
Magen-Darm-Probleme
Kortikosteroide reizen die Magenschleimhaut und setzen deren Schutzmechanismen herab. Deshalb ist bei langfristiger Einnahme das Risiko für Magenschleimhautentzündungen, Magengeschwüre und Magenblutungen erhöht.
Ähnlich wie Kortikosteroide reizen und schwächen auch sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika (NSAIDs/NSAR) wie Ibuprofen die Magenschleimhaut. Die Kombination der Medikamente mit Kortikosteroiden erhöht deshalb das Risiko für Magen-Darm-Blutungen und Magengeschwüre zusätzlich. Ein vorbeugender Magenschutz in Form von Tabletten ist manchmal sinnvoll.
Knochenschwund (Osteoporose)
Bei langfristiger Einnahme von Kortikosteroiden können die Knochen an Dichte verlieren. Dadurch steigt das Risiko für Knochenbrüche. Besonders gefährdet sind die Wirbelsäule und die Hüften.
Wachstumsprobleme
Bei Kindern und Jugendlichen kann das Wachstum beeinträchtigt werden. Es kann zu Wachstumsverzögerungen kommen. Obwohl kurzfristige Kortikosteroid-Therapien meist keine wesentlichen Auswirkungen auf das Wachstum haben, sollten bei längerer oder hochdosierter Anwendung potenzielle Wachstumsstörungen bei Kindern berücksichtigt und engmaschig überwacht werden.
Stimmung und Schlaf
Manche Menschen berichten bei langfristiger Einnahme von Stimmungsschwankungen, Gereiztheit oder sogar Depressionen. Auch Schlafstörungen sind nicht ungewöhnlich.
Augen
Durch eine langfristige Einnahme steigt das Risiko für grünen Star (Glaukom) und grauen Star (Katarakt).
Infektionsrisiko
Da Kortikosteroide das Immunsystem schwächen, wirst Du anfälliger für Infektionen. Auch Infektionen, die sonst mild verlaufen, können schwerwiegender werden. Wenn Du Anzeichen einer Infektion bemerkst wie beispielsweise Fieber oder Halsschmerzen, solltest Du nicht abwarten, sondern Deine Ärztin oder Deinen Arzt kontaktieren. Bei manchen Menschen kann eine Prophylaxe gegen Infektionen (zum Beispiel mit Pneumocystis jirovecii) notwendig sein.
Körpereigene Kortikosteroid-Produktion
Bei längerer Einnahme fährt der Körper seine eigene Kortisol-Produktion herunter. Deshalb dürfen Kortikosteroide nicht abrupt abgesetzt werden. Kortisol ist ein wichtiges Hormon, das der Körper für die Stressbewältigung und viele andere Funktionen benötigt. Werden Kortikosteroide plötzlich abgesetzt, hat der Körper nicht genug Zeit, die eigene Produktion wieder anzukurbeln. Das kann zu ernsthaften Gesundheitsproblemen wie Schwäche, Schwindel oder sogar Kreislaufversagen führen. Damit das nicht passiert, werden Kortikosteroide immer schrittweise abgesetzt. Dadurch hat der Körper genügend Zeit zur Anpassung.
Was ist zu beachten und was kannst Du selbst noch tun?
Therapietreue
Nebenwirkungen kommen vor allem bei einer höheren Dosis und bei einer langfristigen Einnahme zum Tragen. Deshalb wird Deine Ärztin oder Dein Arzt auf eine möglichst geringe Dosis und eine möglichst kurzfristige Einnahme achten. Es kann aber dennoch sein, dass die Dosis erhöht oder die Einnahme verlängert wird. Wenn Du Fragen dazu hast, dann sprich sie bei Deinem nächsten ärztlichen Termin an. Wenn Du Deine Behandlung gut verstehst und nachvollziehen kannst, dann hilft Dir das dabei, Deine Medikamente wie verordnet einzunehmen. Therapietreue und regelmäßige Untersuchungen sind bei einer Langzeittherapie wichtig.
Ernährung und Bewegung
Eine kalziumreiche Ernährung, Vitamin D und Bewegung können Dir helfen, Deine Knochen zu stärken.
03. Calcineurin-Inhibitoren
Nieren
Calcineurin-Inhibitoren können die Nierenfunktion beeinträchtigen. Um sicherzustellen, dass Deine Nieren gut arbeiten, wird Dein Blut regelmäßig untersucht.
Blutdruck
Calcineurin-Inhibitoren können den Blutdruck erhöhen. Ist der Blutdruck langfristig erhöht, dann kann das Dein Herz belasten. Deshalb ist es wichtig, dass Dein Blutdruck während der Behandlung mit einem Calcineurin-Inhibitor regelmäßig kontrolliert wird.
Nerven
Selten beeinflussen Calcineurin-Inhibitoren das Nervensystem. Das kann sich durch Kribbeln, Taubheitsgefühle, Zittern oder Muskelschwäche äußern. Kopfschmerzen und Sehstörungen können selten auch auftreten. Wenn Du Beschwerden dieser Art hast, dann sprich mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt darüber.
Blutzucker
Besonders der Calcineurin-Inhibitor Tacrolimus kann den Blutzuckerspiegel erhöhen, wodurch das Risiko für Diabetes zunimmt. Regelmäßige Blutzuckerkontrollen sind daher wichtig.
Infektionsrisiko
Da Dein Immunsystem durch die Medikamente unterdrückt wird, bist Du anfälliger für Infektionen. Achte auf Anzeichen für eine Infektion wie beispielsweise Fieber oder Husten und sprich mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt darüber.
Magen-Darm-Probleme
Übelkeit, Durchfall oder Bauchschmerzen können auftreten. Die Beschwerden sind normalerweise mild. Wenn sie anhalten, solltest Du Deine Ärztin oder Deinen Arzt darauf ansprechen.
Haut, Haare und Zahnfleisch
Bei der Behandlung mit dem Calcineurin-Inhibitor Ciclosporin kommt es bei einigen Menschen zu Hautausschlägen oder vermehrtem Haarwachstum, auch schon im Kindesalter. Auch Verdickungen und Wucherungen des Zahnfleischs (Gingivahyperplasie) können bei der Behandlung mit Ciclosporin auftreten. Eine gründliche Mundhygiene und regelmäßige Besuche in einer zahnärztlichen Praxis sind deshalb wichtig.
Der Calcineurin-Inhibitor Tacrolimus kann bei einigen Menschen zu Haarausfall führen. Diese Nebenwirkung ist eher selten. Besonders bei langfristiger Anwendung tritt sie aber manchmal auf.
Krebsrisiko
Die langfristige Anwendung von Calcineurin-Inhibitoren erhöht das Risiko für verschiedene Krebsarten.
Durch die langfristige Behandlung mit Calcineurin-Inhibitoren wird Dein Immunsystem geschwächt. Dadurch kann es UV-Schäden in der Haut nicht mehr so gut reparieren, was zu Hautkrebs führen kann. Um einen Hautkrebs zu vermeiden, solltest Du Deine Haut deshalb besonders gut vor Sonneneinstrahlung schützen.
Zudem besteht vor allem bei längerfristiger Therapie und in Kombination mit anderen Immunsuppressiva ein erhöhtes Krebsrisiko. Dazu gehört ein erhöhtes Risiko für Lymphome, insbesondere Non-Hodgkin-Lymphome, und virusbedingte Krebserkrankungen wie das sogenannte – Achtung, komplizierter Name – Epstein-Barr-Virus-assoziierte Posttransplantations-Lymphoproliferative Syndrom (PTLD).
Wenn Du einen Calcineurin-Inhibitor einnimmst, dann sind regelmäßige Blutuntersuchungen wichtig. Der Grund dafür ist: Die Menge an Wirkstoff im Blut kann schwanken. Ist zu viel Wirkstoff im Blut, dann können Nebenwirkungen zunehmen. Ist aber andererseits zu wenig Wirkstoff im Blut, dann nimmt der Nutzen der Behandlung ab. Durch regelmäßige Blutuntersuchungen kann Deine Ärztin oder Dein Arzt das im Blick behalten und die Dosis gegebenenfalls anpassen.
Was ist zu beachten und was kannst Du selbst noch tun?
Ernährung
Vermeide Lebensmittel und Säfte, die Grapefruit enthalten. Grapefruit kann dazu führen, dass zu viel Wirkstoff im Blut enthalten ist.
Medikamenteneinnahme
Die Einnahme der Medikamente mit einer Mahlzeit, insbesondere wenn sie fettreich ist, kann die Aufnahme des Wirkstoffs und seine Menge im Blut beeinflussen. Dadurch kann es zu Schwankungen in der Wirksamkeit kommen. Für eine möglichst gleichmäßige Wirkung solltest Du die Medikamente entweder 1 Stunde vor oder 2 Stunden nach dem Essen einnehmen. Auch durch die regelmäßige Einnahme zur immer gleichen Tageszeit kannst Du etwas für eine gleichmäßige Wirkung tun.
Wie bei der Einnahme von Glukokortikoiden sind auch bei der Langzeittherapie mit Calcineurin-Inhibitoren regelmäßige Untersuchungen wichtig.
04. Mycophenolsäure
Magen-Darm-Probleme
Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen sind häufige Nebenwirkungen. Sie können belastend sein, aber oft lassen sie sich durch Anpassungen der Dosis oder durch Medikamenteneinnahme zu den Mahlzeiten lindern.
Blutbildveränderungen
Mycophenolsäure (Mycophenolat) kann die Menge bestimmter Blutzellen (weiße und rote Blutkörperchen, Blutplättchen) verringern. Das kann zu einer Anämie, erhöhter Blutungsneigung oder Infektanfälligkeit führen. Regelmäßige Blutuntersuchungen sind daher wichtig.
Infektionsrisiko
Da Mycophenolsäure das Immunsystem schwächt, bist Du anfälliger für Infektionen. Achte auf Fieber, Husten oder Halsschmerzen und informiere Deine Ärztin oder Deinen Arzt, wenn Du solche Beschwerden hast.
Krebsrisiko
Ein zentrales Problem insbesondere bei der langjährigen immunsuppressiven Therapie ist, dass das geschwächte Immunsystem bösartig veränderte Zellen weniger gut erkennt und bekämpft. Die verminderte Immunabwehr gegen UV-bedingte Zellschäden macht Menschen, die Mycophenolsäure einnehmen, anfälliger für Hautkrebs, insbesondere Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome. Daher sind eine regelmäßige Kontrolle der Haut und der Schutz vor UV-Strahlung besonders wichtig. Neben Hautkrebs besteht auch ein erhöhtes Risiko für Lymphome, insbesondere Non-Hodgkin-Lymphome, sowie für andere Blutkrebserkrankungen.
Was ist zu beachten und was kannst Du selbst noch tun?
Einnahme des Medikaments
Die Einnahme von Mycophenolsäure zusammen mit Milchprodukten oder Kalziumpräparaten kann die Aufnahme des Medikaments im Magen-Darm-Trakt verringern. Das kann die Wirksamkeit der Behandlung beeinträchtigen. Deshalb solltest Du das Medikament mindestens 1 Stunde vor oder 2 Stunden nach dem Verzehr von Milchprodukten oder Kalziumpräparaten einnehmen. Ähnlich wie Kalzium können auch Magnesium- und Eisenpräparate die Aufnahme von Mycophenolsäure beeinträchtigen. Auch hier sollte ein zeitlicher Abstand zwischen der Medikamenteneinnahme und Magnesium- und Eisenpräparaten eingehalten werden.
Bei langfristiger Einnahme sollten regelmäßige Untersuchungen stattfinden.
Schwangerschaft und Kinderwunsch:
Mycophenolsäure kann zu schweren Geburtsfehlern führen. Deshalb solltest Du während der Behandlung auf eine zuverlässige Verhütung achten. Schwangere dürfen das Medikament nicht einnehmen.
05. Rituximab
Infusionsreaktionen
Bei der Behandlung mit Rituximab erhältst Du das Medikament über eine Infusion. Während oder kurz nach der Infusion kann es zu Reaktionen kommen. Dazu gehören Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen oder Hautausschlag. Diese Reaktionen sind meist mild und lassen sich oft mit Medikamenten vorbeugen.
Infektionsrisiko
Rituximab schwächt bestimmte Zellen des Immunsystems. Dadurch bist Du anfälliger für Infektionen. Achte auf Anzeichen wie Fieber, Husten oder Halsschmerzen und informiere Deine Ärztin oder Deinen Arzt, wenn Du solche Beschwerden hast.
Langfristige Infektionsrisiken
Sehr selten kann Rituximab auch das Risiko für schwerwiegende, langfristige Infektionen erhöhen wie eine Reaktivierung von Hepatitis B oder eine Hirninfektion namens PML (progressive multifokale Leukoenzephalopathie). Diese Nebenwirkungen treten aber nur bei sehr wenigen Menschen auf.
06. In aller Kürze
Immunsuppressiva sind bei der Behandlung eines nephrotischen Syndroms oft notwendig, um Deine Nieren zu schützen und die Krankheit zu kontrollieren. Sie können aber auch verschiedene Nebenwirkungen haben. Ein bewusster Umgang mit den Medikamenten, eine gesunde Lebensweise und regelmäßige ärztliche Kontrollen helfen, Deine Lebensqualität zu verbessern und können zu einem langfristigen Therapieerfolg beitragen. Falls Du neue oder ungewöhnliche Beschwerden bemerkst, solltest Du diese immer mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt besprechen.
Quellen
Saag KG. Major adverse effects of systemic glucocorticoids. In: UpToDate, Connor RF (Ed), Wolters Kluwer. (Abruf am 8.10.2024.)
Hardinger K. Pharmacology of calcineurin inhibitors. In: UpToDate, Connor RF (Ed), Wolters Kluwer. (Abruf am 8.10.2024.)
Seo P. Mycophenolate: Overview of use and adverse effects in the treatment of rheumatic diseases. In: UpToDate, Connor RF (Ed), Wolters Kluwer. (Abruf am 8.10.2024.)
Leandro MJ. Rituximab: Principles of use and adverse effects in rheumatologic disease. In: UpToDate, Connor RF (Ed), Wolters Kluwer. (Abruf am 8.10.2024.)
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