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Dr. Alina Sobhani, 04.07.2024
Zusammenfassung In aller Kürze

Wofür brauchen wir Immunsuppressiva?

Unser Immunsystem ist ein wichtiger Baustein bei der Abwehr von Erkrankungen. Hierbei muss das Immunsystem unterscheiden, ob eine bestimmte Zelle aus dem eigenen Körper oder von einem fremden Organismus stammt. Gelingt diese Unterscheidung nicht, kann es dazu kommen, dass sich das Immunsystem gegen Bestandteile des eigenen Körpers richtet und dort Schaden anrichtet. Wir sprechen dann von Autoimmunerkrankungen. Um Schaden zu verhindern, muss die falsche Aktivität des Immunsystems reduziert oder beeinflusst werden.

01. Wie funktionieren Immunsuppressiva?

Immunsuppression bedeutet, dass das Immunsystem des Körpers unterdrückt wird. Für die Behandlung des nephrotischen Syndroms werden unter anderem verschiedene Immunsuppressiva verwendet, die unterschiedlich funktionieren. Im Folgenden erfährst Du, wie die am häufigsten genutzten Immunsuppressiva wirken.

02. Glukokortikoide

Glukokortikoide, häufig auch Steroide genannt, sind Medikamente, die Entzündungen im Körper verringern und das Immunsystem beruhigen. Sie wirken auf verschiedene Weisen:

  • Glukokortikoide gelangen in die Zellen und binden dort an spezielle Rezeptoren. Diese Rezeptor-Medikament-Komplexe bewegen sich dann in den Zellkern, das Steuerungszentrum der Zelle. Hier bestimmen sie, welche Gene an- oder abgeschaltet werden. So fördern sie die Produktion von entzündungshemmenden Stoffen und reduzieren die Produktion von entzündungsfördernden Stoffen.

  • Glukokortikoide hemmen auch die Ausschüttung von Botenstoffen. Das sind Eiweiße, die Zellen des Immunsystems signalisieren, wo eine Entzündung ist. Dadurch, dass diese Signale fehlen, entsteht auch weniger Entzündung.

  • Glukokortikoide verringern, wie viele Immunzellen an Entzündungsreaktionen beteiligt und wie aktiv diese Immunzellen sind. Dies führt dazu, dass weniger entzündungsfördernde Substanzen freigesetzt werden. Zu diesen Immunzellen gehören T-Lymphozyten und Makrophagen.

Glukokortikoide helfen somit, Entzündungen zu lindern und das Immunsystem zu beruhigen, indem sie an spezielle Rezeptoren in den Zellen binden, die Produktion von entzündungshemmenden Proteinen erhöhen und die Aktivität von Immunzellen reduzieren. Diese vielfältigen Wirkungen machen sie zu wichtigen Medikamenten bei der Behandlung von entzündlichen und autoimmunen Erkrankungen, wie zum Beispiel der MCD oder FSGS.

Glukokortikoide können als Tablette oder als Infusion verabreicht werden. Bekannte Wirkstoffe sind Prednison, Prednisolon, Methylprednisolon und Dexamethason. Die Auswahl des Wirkstoffes erfolgt je nach Indikation oder Nebenwirkungsprofil.

Gelegentlich werden diese Medikamente auch in der Schwangerschaft verabreicht. Sprich mit Deinem Behandlungsteam darüber, worauf Du achten solltest.

03. Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin und Tacrolimus)

Calcineurin-Inhibitoren wirken, indem sie das Enzym Calcineurin blockieren. Dieses Enzym aktiviert T-Zellen. T-Zellen sind spezialisierte Zellen des Immunsystems, die Infektionen bekämpfen. Sie haben eine zentrale Rolle in der Immunantwort des Körpers. Normalerweise wird Calcineurin in den T-Zellen aktiviert, wenn das Immunsystem auf eine Bedrohung wie eine Infektion reagiert. Dieses Enzym aktiviert dann einen speziellen Signalweg, der zur Produktion von Interleukin-2 (IL-2) führt. IL-2 ist ein wichtiges Molekül für das Wachstum und die Aktivierung von T-Zellen.

Calcineurin-Inhibitoren wie Ciclosporin und Tacrolimus binden sich an bestimmte Proteine innerhalb der T-Zellen und blockieren so Calcineurin. Durch diese Blockade kann das Enzym seine normale Funktion nicht mehr ausführen. Infolgedessen wird die Produktion von Interleukin-2 und anderen Signalstoffen unterdrückt. Mit weniger Interleukin-2 und anderen aktivierenden Signalen sind die T-Zellen weniger aktiv.

Diese reduzierte Aktivität des Immunsystems ist besonders nützlich bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Durch Calcineurin-Inhibitoren wird das Immunsystem beruhigt und die Überreaktion des Körpers vermindert.

Calcineurin-Inhibitoren werden in der Regel als Tablette verabreicht. Häufig eingesetzte Wirkstoffe sind Ciclosporin (im Englischen Cyclosporin geschrieben) und Tacrolimus. Da diese Wirkstoffe unterschiedlich verstoffwechselt werden, kontrolliert man bei Patienten den Medikamentenspiegel. Dieser schwankt über den Tagesverlauf, je nachdem, wann die Tablette eingenommen wurde. Daher erfolgt meist morgens vor Einnahme der Tablette die Bestimmung des minimalen Talspiegels. Mit diesem Talspiegel stellt man sicher, dass immer genügend Immunsuppression vorhanden ist. Aufgrund von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, aber auch bestimmten Nahrungsmitteln wie Grapefruit, solltest Du bei Einnahme von anderen Medikamenten Rücksprache mit Deinem Behandlungsteam halten, da sich sonst die Wirkspiegel stark nach oben und unten verändern können.

Aufgrund der Erfahrungen in der Transplantationsmedizin kann dieses Medikament nach gründlicher vorheriger Aufklärung auch in der Schwangerschaft verabreicht werden.

04. Mycophenolatmofetil

Mycophenolatmofetil wirkt, indem es die Funktion von T- und B-Zellen, zwei wichtigen Arten von weißen Blutkörperchen des Immunsystems, unterdrückt. Dafür hemmt das Medikament ein Enzym namens IMPDH (Inosinmonophosphat-Dehydrogenase), das für die DNA-Synthese und somit für die Vermehrung der Zellen erforderlich ist.

Weniger IMPDH führt zu weniger Guanin-Nukleotiden, die wesentliche Bausteine der DNA sind. T- und B-Zellen benötigen eine hohe Menge dieser Nukleotide, um sich schnell zu vermehren und effektiv zu funktionieren. Indem Mycophenolatmofetil die Vermehrung dieser Zellen stört, wird die Immunantwort abgeschwächt. Dies ist besonders wichtig bei der Unterdrückung unerwünschter Immunreaktionen, wie sie bei Autoimmunerkrankungen vorkommen, zum Beispiel bei MCD oder FSGS.

Ein weiterer Vorteil von Mycophenolatmofetil ist, dass es gezielt wirkt. Andere Zellen im Körper können Guanin-Nukleotide auch anders herstellen, sodass sie weniger durch Mycophenolatmofetil gehemmt werden. Das bedeutet, dass vor allem die Immunzellen, die sich schnell vermehren, beeinflusst werden. Dadurch wird die Behandlung genauer und hat weniger Nebenwirkungen.

Mycophenolatmofetil hemmt also die DNA-Herstellung in T- und B-Zellen, indem sie ein essenzielles Enzym blockiert. Dadurch vermehren sich diese Immunzellen weniger und sind weniger aktiv. Das hilft, unerwünschte Immunreaktionen zu unterdrücken.

Mycophenolatmofetil wird in der Regel als Tablette verabreicht. Mycophenolatmofetil darf in keinem Fall in der Schwangerschaft eingesetzt werden.

05. Rituximab

Rituximab funktioniert, indem es gezielt an eine Oberflächenstruktur namens CD20 bindet, die auf B-Zellen vorhanden ist. Diese B-Zellen produzieren Antikörper und regulieren die Immunantwort. Nach der Bindung an CD20 markiert Rituximab die B-Zellen für die Zerstörung durch das Immunsystem. Das geschieht, indem es die Abwehrmechanismen aktiviert wie …

  • das Komplementsystem, ein wichtiger Bestandteil der Immunabwehr, der auf verschiedene Arten dazu beiträgt, Krankheitserreger zu erkennen, zu markieren und zu zerstören.

  • die zellvermittelte Zytotoxizität. Das bedeutet, dass spezielle Immunzellen, wie Killerzellen und T-Zellen, schädliche Zellen erkennen und direkt zerstören.

Dadurch werden die markierten B-Zellen abgebaut und ihre Anzahl im Körper verringert.

Durch die Reduktion der B-Zellen wird die Produktion von Autoantikörpern in Autoimmunerkrankungen unterdrückt.

Rituximab wird normalerweise intravenös verabreicht. In der Regel erfolgen entweder 4 Infusionen im Abstand von einer Woche oder 2 Infusionen im Abstand von 14 Tagen. Rituximab kann mehrfach verwendet werden, ohne dass es zu Resistenzen kommt. Über den Einsatz in der Schwangerschaft gibt es weniger Daten als bei Calcineurin-Inhibitoren und Glukokortikoiden.

Mehr Infos zur Schwangerschaft mit nephrotischem Syndrom findest Du im dazugehörigen Artikel.

Möchtest Du es genauer wissen?

B-Zellen sind eine Art von Immunzellen, die sich im Knochenmark entwickeln. Während sie reifen, tragen sie das Protein CD20 auf ihrer Oberfläche. Wenn B-Zellen sich spezialisieren und zu Plasmazellen weiterentwickeln, verlieren sie das CD20-Protein.

Plasmazellen produzieren Antikörper und sind langlebig. Weil sie kein CD20 mehr haben, sind sie gegen Rituximab resistent, werden von diesem also nicht beeinflusst. Deshalb bleiben die Antikörperwerte im Körper meist normal, selbst wenn viele B-Zellen durch Rituximab zerstört werden. Manche Patienten können jedoch einen Mangel an Antikörpern (Immunglobulinen) entwickeln.

Stammzellen und frühe B-Zell-Vorläufer im Knochenmark haben kein CD20 und können daher neue B-Zellen produzieren, die ins Blut und in andere Gewebe gelangen, sobald Rituximab aus dem Körper verschwunden ist. Diese neuen B-Zellen stellen den normalen B-Zell-Vorrat wieder her.

06. In aller Kürze

Immunsuppressiva helfen, das Immunsystem zu kontrollieren, wenn es den eigenen Körper angreift. Sie wirken auf unterschiedliche Weise:

  • Glukokortikoide (z. B. Prednisolon) reduzieren Entzündungen und beruhigen das Immunsystem, indem sie entzündungshemmende Stoffe fördern und Immunzellen weniger aktiv machen.

  • Calcineurin-Inhibitoren (z. B. Ciclosporin, Tacrolimus) blockieren das Enzym Calcineurin, das T-Zellen aktiviert, und verringern dadurch die Immunantwort.

  • Mycophenolatmofetil hemmt die Vermehrung von T- und B-Zellen, indem es die DNA-Synthese stört, wodurch Immunreaktionen abgeschwächt werden.

  • Rituximab zerstört B-Zellen, die Antikörper produzieren, und unterdrückt so die Bildung von Autoantikörpern, die bei Autoimmunerkrankungen Schaden anrichten.

Diese Wirkstoffe werden je nach Erkrankung und Bedarf individuell eingesetzt.

Quellen

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